Psychomotorische Abklärung

Zur Beurteilung, ob eine Therapie für ihr Kleinkind angezeigt ist, kann eine psychomotorische Abklärung Aufschluss bringen. Die Abklärung soll Auskunft darüber geben, wie die Wahrnehmung, die Motorik, das Empfinden und die Kognition ihres Kindes zusammenspielen.

Nach der Abklärung besprechen die Beteiligten gemeinsam, ob eine Psychomotoriktherapie oder eine andere Massnahme angezeigt ist, um ihr Kind in seiner weiteren Entwicklung zu unterstützen. Die Entscheidung, ob und welche Massnahmen getroffen werden, liegt bei den Eltern.

Was beobachtet die Therapeut*in bei der Abklärung?

Körperhaltung, manuelles Geschick, Art der Bewegung 

Kann das Kind sitzen? Krabbelt es? Läuft es? Wie koordiniert es seine Bewegungen? Kann es das Gleichgewicht halten? Kann es seine Kräfte einteilen? Kann es kleine Gegenstände präzise handhaben?

Lea (11 Monate) hat erst spät begonnen, den Kopf zu heben, da sie nicht genügend Muskelspannung aufbauen konnte, um ihren Kopf stabil zu halten. Als sie noch jünger war, konnte sie daher ihre Körperhaltung nicht selbstständig ändern und war somit nicht in der Lage zu beobachten, was um sie herum geschah. Durch diese Entwicklungsverzögerung hat Lea nun Schwierigkeiten, im Sitzen ihr Gleichgewicht zu halten.


Körperwahrnehmung und Körperbild

Kennt das Kind seinen eigenen Körper und den anderer Personen? Kann es Körperteile benennen, zeigen oder sogar mit Materialien formen oder zeichnen?

Beim Versteckspielen kriecht Clara (4 Jahre) unter einen kleinen Spieltisch und nimmt an, dass sie so versteckt ist. Sie erkennt nicht, dass ihre Beine und Füsse für die anderen noch sichtbar sind. Die Dimensionen ihres eigenen Körpers sind ihr noch nicht bewusst: Sie sieht ihren Körper nicht als eine Einheit. Das bedeutet, dass sie sich noch nicht an ihre räumliche Umgebung anpassen und den richtigen Abstand zu dem, was sie umgibt, halten kann.


Sinneswahrnehmung

Wie reagiert das Kind auf unterschiedliche Reize wie Geräusche oder Töne, visuelle Reize oder Berührungen? Fühlt es sich wohl oder unwohl? Schreckt es auf? Dreht es den Kopf in die Richtung, aus der die Reize kommen? Ändert sich sein Gesichtsausdruck? Fängt es an zu weinen?

Peter (18 Monate) reagiert sehr stark auf Sinnesreize. Er liebt Musik; Klänge faszinieren ihn, so dass er ihnen lange zuhören kann. Körperkontakte mag er dagegen gar nicht: Sobald man ihn berührt, zieht er seinen Arm zurück und kauert sich zusammen.


Räumliche und zeitliche Orientierung

Kann sich das Kind im Raum orientieren und einen vorgegebenen Weg finden? Hat es eine grundlegende Vorstellung von räumlichen und zeitlichen Begriffen (vor, hinter, über, unter, davor, danach)? Kann es unterschiedlich grosse Gegenstände einordnen?

Cyril (3 Jahre) hat Schwierigkeiten mit Sortierspielen und Puzzles: Er kann die Formen nicht zuordnen, weil er keine Vorstellung von der Grösse der verschiedenen Teile hat. Folglich weiss er nicht, welcher Gegenstand in einen anderen Gegenstand hineinpasst. Ausserdem scheint er etwas hilflos zu sein, wenn er beispielsweise einen Gegenstand unter den Tisch legen soll. Für ihn sind solche Anweisungen schwer verständlich, weil er Schwierigkeiten mit der räumlichen Vorstellung hat. Das erschwert es ihm, sich im Raum zu orientieren, weggeräumte Gegenstände zu finden oder schon gegangene Wege erneut zu gehen.


Kommunikation, Beziehung zu anderen und Gefühlsregulierung

Wie teilt das Kind seine Wünsche oder Bedürfnisse mit? Wie nimmt es Kontakt zu anderen auf: durch den Einsatz von Gegenständen, durch Körperkontakt, mit Blicken oder Worten? Fühlt es sich bei der Kontaktaufnahme wohl oder zeigt es sich aggressiv gegenüber anderen?

Bruno (3 Jahre) spricht nur sehr wenig. Wenn er etwas haben möchte oder sich mitteilen will, nimmt er die Erwachsenen an der Hand oder zeigt mit dem Finger auf etwas. Er spielt gerne mit anderen und nimmt Kontakt zu ihnen auf, indem er ihnen Gegenstände – etwa einen Ball oder ein Plüschtier – anbietet. Seine Absichten werden aber oft falsch verstanden. Ausserdem mag Bruno keinen Körperkontakt: Er geht dann schnell auf Distanz und zieht sich zurück.


Eigenständigkeit

Ist das Kind sauber? Kann es alltägliche Handlungen eigenständig ausführen (Kleider und Schuhe anziehen, essen usw.)? Sucht es sich Hilfestellung bei Erwachsenen?

Arthur (knapp 4 Jahre) kann seine Schuhe und seine Jacke ausziehen, aber beides noch nicht ohne Hilfe anziehen. Wenn er seinen Pulli anziehen will, findet er oft nicht die richtige Öffnung; zieht er eine Hose an, hat er Mühe, den Reissverschluss und den Knopf zu schliessen. Arthur lässt sich schnell entmutigen und bittet rasch um Hilfe. Er hat wenig Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten und vermeidet Situationen, in denen er scheitern könnte. Daher ist er auch allem Neuen gegenüber sehr zurückhaltend.


Konzentration und Aufmerksamkeit

Kann das Kind aufmerksam zuhören, wenn man mit ihm spricht? Kann es sich auf das konzentrieren, was es gerade tut? Ist es unruhig, ständig in Bewegung oder wirkt es abgelenkt? Kann es eine Aktivität ohne mehrfaches Unterbrechen zu Ende bringen?

Sofia (2 Jahre) geht dreimal wöchentlich in die Kindertagesstätte. Sie und ihre beiden liebsten Spielkameraden sind häufig zerstreut. Sie haben Mühe, Anweisungen zu befolgen und ihrem Alter entsprechende Aktivitäten zu Ende zu führen.

Die Psychomotoriktherapie eignet sich für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die motorische oder emotionale Probleme, Verhaltensauffälligkeiten oder Schwierigkeiten in ihren Beziehungen zu anderen haben.